Oberkirchenrat Andreas Jensen (EKD) eröffnete und moderierte den Fachtag (Foto: Karl-Günter Balzer)
Kassel. Es kommt einer Revolution gleich. Innerhalb nur weniger Jahre hat sich die Kommunikation völlig verändert – und mit ihr die Welt. Mittlerweile kann jeder Mensch per Smartphone zum Meinungsbildner werden. Nicht nur Donald Trump twittert leidenschaftlich seine Ansichten in der Welt. In den sozialen Medien wird lebhaft diskutiert, informiert, polemisiert mit zum Teil fragwürdigen Auswirkungen auf das Zusammenleben.
Aber trotz aller problematischen Entwicklungen liegen da doch Chancen. Welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten gibt es für die Kirche im ländlichen Raum durch die neuen Medien und ihre Nutzung. Dazu trafen sich Delegierte aus den verschiedenen Landeskirchen am 20.09.19 zu einem eintägigen Fachtag in Kassel. Veranstalter war die Landkirchenkonferenz der EKD.
„Die Kirchen sind Kommunikationsgesellschaften“, stellte Bischof Martin Hein in seiner Begrüßung fest. Dementsprechend forderte er, dass die digitale Kommunikation in ländlichen Räumen zu ermöglichen sei. Eric Müller vom Institut für Medienpädagogik, München, problematisierte eine Konzentration der Digitalisierung auf den städtischen Bereich. Dadurch verschärfe sich die Ungleichheit zwischen Stadt und Land zu Ungunsten des Landes.
Einen ganzen Strauß von positiven Beispielen, wie die digitalen Medien auf dem Land genutzt werden können, stellte Gabriela Christmann vom Leibnitz Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Berlin vor. Dazu gehöre z. B. die Nutzung von Dorf-Apps, mit denen Nachbarschaftshilfen, Mitfahrgelegenheiten und Veranstaltungen auf dörflicher Ebene organisiert werden. Die Chance für das Dorf liegt darin, dass die Digitalisierung für den sozialen Zusammenhalt genutzt wird. Dabei wird die örtliche Kirchengemeinde ein Akteur.
Statt über den Untergang des Abendlandes zu unken, gelte es beherzt die Chancen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen. Dazu ermutigte Marcell Saß, praktischer Theologe aus Marburg, die Kirchen. Dass die Gemeinschaft sich dabei auch verändert, hält Saß für unausweichlich. Es werde sich der Frage zu stellen sein, wie künftige Verbindlichkeitsmodelle aussehen können.
Am Nachmittag wurden die Themen in mehreren Workshops diskutiert und vertieft.
Zusammen mit Christian Sterzig, Leiter der Stabstelle Digitalisierung im Kirchenamt der EKD, wurde gefragt, mit welchen Medien man Menschen verschiedener Frömmigkeitsrichtungen erreichen kann. Der Autor und Blogger Philipp Greifenstein präsentierte Einblicke in die christliche Bloggerszene. Ob über Social Media überhaupt die Pflege von Gemeinschaft möglich ist, besprach der Medientheologe Karsten Kopjar.
Anhand des Projektes „Digitale Dörfer“ stellten Carolin Oldenstein und Matthias Berg heraus, dass eine digitale Vernetzung in ländlichen Gebieten die alten Dorfstrukturen neu beleben kann. In den Ortschaften in Rheinland-Pfalz, die an dem Projekt teilnehmen, können sich die Bewohner auf einer Plattform im Netz gegenseitig über Ortsneuigkeiten und Veranstaltungen im Ort informieren. An den Flohmarkt in der Festhalle wird ebenso erinnert wie an den Tauferinnerungsgottesdienst am Wochenende. Eine Mitfahrplattform bietet die Möglichkeit, zum Einkaufen in die nächste Stadt zu kommen oder zu fragen, wer ein Paket aus dem Lebensmittelladen mitbringen kann. In diesem Projekt wird deutlich, wie eine digitale Kommunikation den persönlichen Austausch stärken und unterstützen kann. Denn es komme schließlich auch stets zu einer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht.
Ganz analog widmete sich Juliane Stückrad als Ethnologin der Bedeutung von Kirchengebäuden für ihren Ort. In Befragungen in brandenburgischen Dörfern stellte sich heraus, dass Kirchengebäude eine Heimat in einer als brüchig erlebten Welt sind. Sie werden als Orte der Ruhe empfunden. Auch werden sie zum Austausch bei strittigen Diskussionen genutzt.
Die Workshops konkretisierten das Grundanliegen der Vorträge am Vormittag. Kirche erlebt durch die Digitalisierung einen starken Veränderungsprozess. Die Kommunikationsformen ändern sich. Es ist wichtig für die Kirche, dass sie die Kommunikationswege des Evangeliums reflektiert, damit sie weiterhin Menschen erreichen kann und eine beachtete gesellschaftliche Stimme bleibt. (21.09.2019)